15. Januar 2010 / Köthen

„Der Himmel färbte sich blutrot…“

Neonazi-Mahnwache mit Bockwurst zwischendurch // „ehrenvolles Gedenken“ à la Holz und Co.

Etwa 35 Neonazis aus Anhalt-Bitterfeld, Dessau-Roßlau und Halle (Saale) hielten am 15. Januar 2010 eine Mahnwache in Köthen ab. Unter dem Motto: „Der Himmel färbt sich blutrot – Magdeburg, 16. Januar 1945“ wollten sie, ähnlich wie aus den Vorjahren unter dem Label: „Ein Licht für Dresden“ bekannt, den extrem rechten Opfermythos anlässlich des Trauermarsches am Folgetag in der Landeshauptstadt vorweg zu zelebrieren. Mit einer halben Stunde Verspätung postierten sich die Teilnehmer eingangs der Köthener Leopoldstraße vis à vis auf beiden Fußwegen und versuchten sich dort bis 19.00 Uhr in Andacht und Opferbereitschaft ihrer gefallenen Helden. Protest gegen den Geschichtsrevisionismus von Rechtsaußen war an diesem Tag in Köthen nicht zu festzustellen, dafür war die Polizei aber schon fast mit einem Großaufgebot vor Ort.

„Denk dran, dass du in Köthen bist – das ist Feindesland!“, versuchte ein Köthener Teilnehmer einen Fotografen einzuschüchtern und sorgte damit schon zu Beginn für leichte Erheiterung. Vielerorts werden vor Neonaziaufmärschen heutzutage strikte Auflagen und Verhaltensregeln von den Veranstaltern selbst verkündet, um „ein ordentliches und dem Anlass entsprechendes Bild (zu) verkörpern.“ Hier in der Provinz scheint das noch nicht zur rechten Gepflogenheit geworden zu sein. Dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer des extrem rechten Opferschauspiels während der Mahnwache am angrenzenden Rostbratwurststand ihren Hunger stillen und im Discounter nebenan einkaufen gehen, hätte anderenorts wahrscheinlich zum Ausschluss von der Veranstaltung geführt. Auch Handyspielereien während der Versuches eines ehrwürdigen Gedenkens sind bei solchen Veranstaltungen meist strikt untersagt. Bei Veranstaltungen der Anmelderin Carola Holz und den „Freien Nationalisten Dessau und Anhalt-Bitterfeld“ scheint dies dem würdevollen Gedenken keinen Abbruch zu tun.

Die Neonaziszene veranstaltet vielerorts so genannte Trauermärsche anlässlich der kriegsnotwendigen Bombardierung deutscher Städte zu Ende des zweiten Weltkrieges durch die Alliierten – so neben Magdeburg im Januar auch in Dresden im Februar und im März in Dessau-Roßlau oder Chemnitz. Dabei werden militärische Interventionen gegen Nazideutschland von der extremen Rechten oft zum „Bombenholocaust“ verklärt. Mit solchen Wortschöpfungen streben die rechten Protagonisten die Gleichsetzung der Opfer der Bombardierungen deutscher Städte und den in deutschen Konzentrationslagern millionenfach ermordeten Menschen an, die nicht in das Bild ihrer „Volksgemeinschaft“ passten. Die deutschen „Volksgenossen“, die vielerorts die Frage zum „totalen Krieg“ bis aufs Letzte mit einem euphorischen „Ja!“ beantworteten und dem NS-Regime die Treue hielten, sollen mit den aus purem Vernichtungswillen deutscher Nazis  Ermordeten gleichgestellt werden. Die Schuld Deutschlands am Ausbruch des Krieges zu negieren, geht dabei mit dem Opfermythos der Neonazis einher.

Sir Arthur Travers Harris, Oberkommandierender der Bomberflotte der britischen Royal Air Force während des Zweiten Weltkrieges, den die Teilnehmer in einem marginal verteilten Flugblatt anführen, wird an anderer Stelle treffend mit den Worten zitiert: „Sie wollten den totalen Krieg haben. Wir haben ihnen gegeben worum sie gebettelt haben.“


  1. 1 Januar 2010 « Infothek-Dessau.de

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  2. 2 12. Februar 2010 / Wolfen: Mahnwache « Infothek-Dessau.de

    […] der Region Anhalt in diesem Januar erstmals als einzige im Land eine vergleichbare Mahnwache (mehr dazu hier…) am Vorabend des Aufmarsches in Magdeburg durch und sicherten sich damit ein Alleinstellungsmerkmal […]